2019 02 03 Weihnachten in Familie 1 Plbg winterlicher Großer Markt
                                                              Dieses Bild haben meine Eltern mir und meiner Schwester geschenkt...als Erinnerung an "Weihnachten zu Hause"

Categorie: Heimat

00. Germany

Weihnachten – ganz in familiärer Tradition

Wenn ich an meine Heimat denke und damit natürlich an meine Kindheit, wird mir unser Weihnachtsfest für immer
in ganz besonderer Erinnerung bleiben!

Es war so ganz anders als heutzutage….

Schon als kleines Mädchen habe ich gern gesungen, habe gemalt, gebastelt und mein Zimmer damit schön „gestaltet“ – ich habe
schöne Stimmungen schon immer geliebt!

In der Vorweihnachtszeit konnte ich meiner Phantasie natürlich besonders freien Lauf lassen.
Ich habe jeden Tag voller Freude ein Türchen in meinem Weihnachtskalender geöffnet und mich an den Bildern (!) erfreut,
habe dann selbst Tannenzweige mit Kerzen und Lichtern gemalt…..

und habe mir damals schon kleine Geschichten ausgedacht.
Alles war so geheimnisvoll ringsumher, wenn ich mit meinen Eltern durch die Gassen der Altstadt bummelte.
Es gab viele Fachwerkhäuser, aus deren Schornsteinen der Rauch aufstiegt, beim Bäcker lagen die frisch gebackenen Brezeln
im Fenster und sogar ein gebackenes - beleuchtetes - Pfefferkuchenhaus, und in unserer St. Jacobikirche leuchtete ein großer
Weihnachtsstern durch die schmalen Fenster nach draußen.

2019 02 03 Weihnachten in Familie 2 Herrenhurther Stern rot

Für kleine Mädchen waren die engen Gässchen manchmal unheimlich, und wir erzählten uns allerlei Geschichten auf dem
Nachhauseweg, und schauten hinter jeden Baum und jede Hausecke, wenn meine Freundin und ich von der Bibelstunde
in der Kirche abends im Dämmerlicht nach Hause gingen.


Zu Hause erwartete mich die „typische Welt unserer Familie“:
Es roch nach frisch gebackenen Plätzchen und nach dem Obst, das mein Vater aus unserem eigenen und dem Garten meines
Großvaters geerntet hatte und welches nun vor Weihnachten aus tiefen Kellern, in denen das Obst gelagert wurde,
geholt worden war.
Die Äpfel sahen damals noch aus wie gemalt – und zwar OHNE irgendwelche Konservierungsstoffe! – rotbackig oder
gelb, je nach Sorte, und es knackte und zischte, wenn man in den kalten Apfel hineinbiss.
(Einen Ofen hatten wir zu jener Zeit schon nicht mehr, deshalb konnten wir keine Bratäpfel machen – dafür fuhren wir dann zu
den Großeltern aufs Land.)

Stunden verbrachte ich auch mit meiner Mutter in der Küche, um zu sehen, wie große Bleche mit Christstollen gebacken
wurden.
Das Stollenbacken hat schon eine 500 jährige Tradition, ursprünglich aus Dresden stammend, verkörpert der Stollenteig
den Leib des Christkindes und die äußere Puderzuckerhülle eine Windel, in die das neu geborene Christkind gewickelt wurde.
Schon die Dresdner Kurfürsten haben Christstollen als Geschenk verschicken lassen – eine schöne Tradition!
Bei uns zu Hause wurde diese Tradition auch gepflegt, allerdings war es jedes Mal ein riesiger Aufwand …  schon vor dem
Backen, denn es gab nicht immer alle Zutaten wie Zitronat oder Orangeat bei uns zu kaufen (!) – aber wenn es soweit war,
war es immer ein besonderer Tag, da ich vom Teig naschen durfte oder den Puderzucker sieben!
Später wurden die Stollen- muttersprachlich bei uns genannt „ Stück Stolle“  – ebenso die gebackenen Plätzchen – in großen
Steintöpfen (wie man sie aus dem Spreewald für die Gurken kennt) im Keller aufbewahrt.
Manchmal, wenn meine Mutter nach der (damaligen) 6-Tage-Woche nicht zu müde war, haben wir beide die Plätzchen noch
mit Zuckerguss verziert – auch das war für mich als kleines Mädchen eine besondere Freude.

2019 02 03 Weihnachten in Familie 4 Weihnachtsstollen und Bücher

Die größte Freude aber war immer das gemeinsame Musizieren!

Ob in der Vorweihnachtszeit – an JEDEM Abend vor dem Schlafengehen (!) – oder direkt am Weihnachtsabend – es wurde
IMMER zusammen gesungen und musiziert!

Mein Vater holte dazu sein Akkordeon hervor, und meine Omi (seine Mutter, die uns manchmal besuchte) und ich sangen dazu.

Meine Mutter lauschte aus der Küche und brachte uns manchmal ein paar Plätzchen oder einen warmen Kakao (aus Milch und
echtem Kakaopulver!), den sie selbst zubereitet hatte.

Für mich waren solche Abende einfach himmlisch!
Ich kuschelte mich an meine Omi an, und wir sangen beide eine ganze Reihe von Weihnachtsliedern.
„Stille Nacht“ und „O, du fröhliche“ und „Ihr Kinderlein kommet“.
Ich selbst hatte eine ganz hohe klare Stimme – sang in der Schule auch im Chor, oft als Solistin – und schaffte das,
was kein Lehrer schaffte (wie mir oftmals gesagt wurde) – nämlich,
das ALLE Schüler plötzlich ganz leise waren und nicht mehr wild durcheinander sprachen, denn sie wollten mich singen hören –
und somit hörte JEDER zu!


Mein Lieblingslied war „Leise rieselt der Schnee“ – und ich konnte es auch besonders gut singen, es passte irgendwie zu mir.
Nur – ich kannte alle Texte durch meine Omi und von zu Hause aus – und wir waren ein evangelischer Haushalt,
wenn auch nicht unbedingt „streng gläubig“ so schätzten und pflegten wir doch viele Werte, die wir durch die Kirche vermittelt
bekamen – und das waren nicht die schlechtesten wie z.B. die 10 Gebote (Du sollst nicht lügen, nicht stehlen, sollst Deinen Nächsten lieben etc.)

Besonders die „Achtung“ zu haben vor jedem Mitmenschen wurde mir praktisch von zu Hause aus in die Wiege gelegt!

Nun ja, in der Schule und im öffentlichen Leben damals, hörte man diese „vermeintlich rein kirchlichen“ Attribute
nicht so gern – und demzufolge wurde mir in der Schule „nahe gelegt“, doch lieber „der Weihnachtsmann kommt bald“ zu singen
an Stelle von „das Christkind kommt bald“.

Und so lernte ich schon als Mädchen von 8 Jahren, dass es besser war, nicht immer alles zu sagen,
was ich zu Hause hörte! – ein Umstand, der in den späteren Jahren in der DDR noch sehr wichtig werden sollte….

So musizierten wir also in der Familie und sangen vom Christkind – ich schlief mit guten Gedanken
und in Liebe zu meiner Familie jeden Abend ein.
.....und in der Schule sangen wir „Sind die Lichter angezündet“ und „Guten Abend, schön‘ Abend, es weihnachtet schon!“
und ganz oft unsere Klassiker „Bald nun ist Weihnachtszeit!“ und „Lasst uns froh und munter sein!“

Und wenn dann der Heiligabend kam – der sogar im Osten so genannt werden durfte! – war das Glück für mich einfach perfekt!
Meine Omi saß mit mir im Kinderzimmer und las mir Geschichten oder Märchen vor oder erzählte von ihrer Heimat in Pommern –
und meine Eltern bereiteten im Wohnzimmer alles vor.
Es wurde ja damals noch am Heiligabend gearbeitet und somit – dann erst gegen Abend – der Baum geschmückt
(wir sahen ihn also VORHER NICHT)

Wenn es dann „soweit war“, öffnete meine Mutter die Wohnzimmertür, stand dort lächelnd mit einem Glöckchen in der Hand,
klingelte und sagte, dass der Weihnachtsmann schon da gewesen sei – und dann begann unser „Ritual“ wie jedes Jahr
(zumindest, solange meine Omi noch da war).

Wir saßen alle in einem großen Kreis, manchmal kamen die Nachbarn auch dazu, und dann wurde gesungen, musiziert,
es wurden Gedichte aufgetragen oder etwas, was man extra zu dem Abend „einstudiert“ hatte.

Danach aß man den typischen Kartoffelsalat und trank selbst gemachten Glühwein mit viel Zimt oder eben den beliebten Kakao.
Und noch später am Abend saß man bei 1 bis 2 großen Kerzen – der Weihnachtsbaum hatte ja damals „echte“ Kerzen
und die mussten geschont werden(!) bzw. sollte der Baum ja auch nicht anfangen zu brennen…..! – und so erzählte man sich was
oder schaute noch einen alten schwarz-weiß Film, sofern denn einer im Fernsehen kam.


Am 1. Feiertag wurden dann die (anderen) Großeltern auf dem Bauernhof besucht und am 2. machte man es sich wieder
zu Hause gemütlich bzw. bummelte durch die Straßen, um das hübsche weihnachtliche Flair zu erleben.

Ja, die Weihnachtszeit war für mich als Kind die schönste Zeit des Jahres!


**********Angelika Seel, Copyright, Venlo Dezember 2018**********

P.S. Was ich ja beinahe vergessen hätte – natürlich waren wir zu Heiligabend IMMER in der Kirche!
(Anmerkung: nur bis ich 8 Jahre alt war, waren wir ALLE anwesend, das Weihnachtsfest, an dem ich 9 Jahre alt war,
 verbrachten wir schon ohne die Omi )


Ich freute mich jedes Mal besonders darauf, denn meine Omi saß dann direkt neben mir - wir beide waren in eine Decke
eingekuschelt, da es in der Kirche meist ziemlich frisch war - und dann sangen wir gemeinsam viele der Lieder,
die wir zu Hause geübt hatten.

Dazu kam, dass Heiligabend der einzige Abend des Jahres war, an dem man viele Leute in der Kirche traf – es war immer
wie ein Wiedersehen mit alten Bekannten!

Dazu muss man wissen – während des Jahres gingen die meisten Leute nicht zur Kirche, bis auf wenige streng Gläubige,
denen die „Auswirkungen“ im Täglichen egal waren….
Auch wenn es offiziell nie zugegeben wurde, wurde es zu DDR-Zeiten nicht so gern gesehen,
ein „allzu kirchliches“ Leben zu führen…so dass die meisten Leute im Laufe der Zeit „davon Abstand nahmen“….
Zu Weihnachten allerdings ließen es sich viele Leute nicht nehmen, doch am Weihnachtsgottesdienst teilzunehmen – es gehörte
irgendwie zur Tradition, auch wenn viele nicht (mehr) gläubig waren. Aber die ganze Atmosphäre dort…, Lieder zu singen,
Freunde & Bekannte zu treffen….DAS war doch alles sehr schön, weshalb viele Leute an Weihnachten doch den Gang
zur Kirche einplanten.

Für mich selbst war die Zeit in der Kirche – gemeinsam mit meiner Omi und meinen Eltern zu singen – und später zu Hause
diese „Gesangstradition“ fortzuführen – einfach eine wundervolle Zeit, eine Zeit,

die ich niemals vergessen werde!


2019 02 03 Weihnachten in Familie 3 herrenhuther Stern aus Leipzig rot gelb

 *********************************Angelika Seel Copyright, Venlo Dezember 2018/Update Januar 2019*********************************